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Mustergültig

Aktualisiert: 25. Jan. 2022

In einem seidenen Blumenkleid

gewebt aus Zartsinn und Feinfühligkeit

wird geboren ein Kind

gefühlsbetont, zartfühlend, friedlich und lind

so sein Naturell

Schon bald verinnerlicht es den Apell

der allzeit zwischen den Zeilen weht

falsche Wahrheiten sät



Seidenfein hat keinen Stellenwert

zartbesaitet ist verkehrt

nicht blütenzart, nicht blumenfein

sachlich kariert so musst du sein

Gefühle machen verwundbar

schwach und wehrlos, Gefühle bedeuten Gefahr

Tausche du zart

gegen sachlich, eisern und hart

so entsprichst du dem weltlichen Ideal

alles andere endet fatal

Dies wird vom ersten Tage ihm suggeriert

auf dass sich schnell das Blumige verliert



Das Kind ahnt nichts von diesem Lebensbetrug

Es handelt scheinbar klug

will gefeit sein für alle Zeit

Das Kind streift ab das seidenfeine Sinneskleid

nichts Böses ahnend, es tief im Innern zu vergraben

mit all seiner Fülle, seinen blumigen Gaben

im dunklen Verlies das Dasein zu fristen

im treuen Glauben, Wahrheit sei zu überlisten

Es vertraut diesem Trugschluss

wird belohnt mit einem wohlwollenden Kuss

Es wirft sich über ohne Widerstand

das gekästelte, das harte, das viel zu schwere Gewand

geknotet aus groben Fesseln und Enge

aus Härte und Strenge

Das Gewand, es schürft, sticht, schneidet

das brave Kind, es spürt nicht, wie sehr es leidet

Die hauchdünne Seelenhaut

zerkratzt, zerbissen, aufgeraut

Das Gewand, es drückt, schnürt, schmerzt

doch ohne jeden Zweifel und beherzt

wenn auch mit ewiger Sehnsucht und unerklärbarem Unbehagen

wird das Kind diese Verkleidung tragen

mustergültig, beinahe wie dressiert

auch wenn es darin immerzu friert



Tag um Tag

weil es nicht zu wissen vermag

was sein will

bleibt das Kind stumm, bleibt still

Es kann sich nicht empören

weil es nichts weiß von Herzenshören

von zarten, verwaisten Seelen

denen Wertschätzung und Liebe fehlen

weil es nichts weiß von feinen Sinnen, die erstarren

vor Entsetzen über die bizarren

Dinge, die geschehen

ohne sie zu sehen

Ein Kind ist ein Kind lässt sich leiten

von wehenden Unwahrheiten

So verliert sich mehr und mehr seine Natur

seine Spur

So fern ist es, so fern

von seinem lieblich-feinen Wesenskern

Bisweilen nur steigt ein seltsames Gefühl in ihm empor

fühlt sich leise aus tiefsten Tiefen hervor

nebelfein und überzart

eine Ahnung seiner ursprünglichen Art



Wie sollte das Kind diesem Unvertrauten vertrauen

es wagt nicht, diesem blumigen Gefühl zu schauen

setzt sich vehement zur Wehr

es verstört ihn zu sehr

In dem angepassten Musterkleid, in diesem Zwist

lebt das Kind bis es längst kein Kind mehr ist

Wohl ahnt es, dass etwas nicht stimmt

dass etwas ihm die Kräfte nimmt

Doch es spielt weiter

dieses falsche Spiel, scheinbar munter, scheinbar heiter

Grandios spielt das Menschenkind, geradezu perfekt

das Blumenkleid tief im Herzensinnern versteckt

Beflissen stets das karierte Gesicht aufsetzend

blind sich selbst verletzend

verliert das Menschenkind mehr und mehr die eigene Kontur

wird zur Marionettenfigur



Kein äußeres Erleben erreicht mehr das innere Ziel

fürwahr ein trauriges Spiel

Es ist, als bleibt es in mir leer

Wo nur kommt diese Leere her

Was ist falsch an dem was ich tu

Was schnürt mir die Kehle zu

Furcht zwingt das Menschenkind zum Stehen bleiben

sie lässt sich nicht vertreiben

Geh ich weiter, wird in mir etwas sterben

Was nur führt mich ins Verderben

Eine Frage wie ein erschütterndes Beben

Lebe ich ein falsches Leben

Es hört sein Herz, wie es plötzlich spricht

Kariert das bist du nicht

In deine Wiege wurde Blumiges gelegt seinerzeit

Es verliert niemals seine Gültigkeit



Komm zu dir, nur zu

Sei gefühlls betont, zart und fein, sei Du

Es zögert, zweifelt, misstraut

In ihm hallt wider überlaut

mit größter Unbarmherzigkeit

das täuschende Echo aus kindlicher Zeit

Gleichwohl brennt auf mit leisem Bangen

diese ewige Sehnsucht, dieses tiefe Verlangen

nach Klarheit nach Wahrheit, nach Wärme

in ihrem Feuer verglühen alle Lügenschwärme

Es blüht auf Erkennen

es ist Zeit, was wahr ist zu leben, zu benennen

Weil das Menschenkind kein Kind mehr ist

frei nun mit eigenem Maße misst

springt es hinweg ohne jegliches Bedauern

über die karierten Mauern

zieht an wieder das Blumenkleid

aus Zartsinn und Feinfühligkeit

Es nimmt ihn wahr, den Blütenduft

es kann wieder atmen, bekommt wieder Luft

und wie es strahlt, weil ihm das Kleid so gut steht

wie leicht, fein, zart und weit es ihn umweht



ohne jegliche Enge

ohne schneidende, stechende Strenge

Ich bin nicht mehr eine eiserne leere Hülle

Ich bin ein Wesen mit innerer Fülle

Aber ja

verwundbar zwar

und sehr verletztlich

Doch nun ein wahres, frei fühlendes erfülltes Ich

Seidenfein, blütenzart und lind

wie neugeboren fühlt sich das Menschenkind

weil es wieder wurde, was es ist

weil es sich selbst nicht mehr vermisst


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