In einem seidenen Blumenkleid
gewebt aus Zartsinn und Feinfühligkeit
wird geboren ein Kind
gefühlsbetont, zartfühlend, friedlich und lind
so sein Naturell
Schon bald verinnerlicht es den Apell
der allzeit zwischen den Zeilen weht
falsche Wahrheiten sät
Seidenfein hat keinen Stellenwert
zartbesaitet ist verkehrt
nicht blütenzart, nicht blumenfein
sachlich kariert so musst du sein
Gefühle machen verwundbar
schwach und wehrlos, Gefühle bedeuten Gefahr
Tausche du zart
gegen sachlich, eisern und hart
so entsprichst du dem weltlichen Ideal
alles andere endet fatal
Dies wird vom ersten Tage ihm suggeriert
auf dass sich schnell das Blumige verliert
Das Kind ahnt nichts von diesem Lebensbetrug
Es handelt scheinbar klug
will gefeit sein für alle Zeit
Das Kind streift ab das seidenfeine Sinneskleid
nichts Böses ahnend, es tief im Innern zu vergraben
mit all seiner Fülle, seinen blumigen Gaben
im dunklen Verlies das Dasein zu fristen
im treuen Glauben, Wahrheit sei zu überlisten
Es vertraut diesem Trugschluss
wird belohnt mit einem wohlwollenden Kuss
Es wirft sich über ohne Widerstand
das gekästelte, das harte, das viel zu schwere Gewand
geknotet aus groben Fesseln und Enge
aus Härte und Strenge
Das Gewand, es schürft, sticht, schneidet
das brave Kind, es spürt nicht, wie sehr es leidet
Die hauchdünne Seelenhaut
zerkratzt, zerbissen, aufgeraut
Das Gewand, es drückt, schnürt, schmerzt
doch ohne jeden Zweifel und beherzt
wenn auch mit ewiger Sehnsucht und unerklärbarem Unbehagen
wird das Kind diese Verkleidung tragen
mustergültig, beinahe wie dressiert
auch wenn es darin immerzu friert
Tag um Tag
weil es nicht zu wissen vermag
was sein will
bleibt das Kind stumm, bleibt still
Es kann sich nicht empören
weil es nichts weiß von Herzenshören
von zarten, verwaisten Seelen
denen Wertschätzung und Liebe fehlen
weil es nichts weiß von feinen Sinnen, die erstarren
vor Entsetzen über die bizarren
Dinge, die geschehen
ohne sie zu sehen
Ein Kind ist ein Kind lässt sich leiten
von wehenden Unwahrheiten
So verliert sich mehr und mehr seine Natur
seine Spur
So fern ist es, so fern
von seinem lieblich-feinen Wesenskern
Bisweilen nur steigt ein seltsames Gefühl in ihm empor
fühlt sich leise aus tiefsten Tiefen hervor
nebelfein und überzart
eine Ahnung seiner ursprünglichen Art
Wie sollte das Kind diesem Unvertrauten vertrauen
es wagt nicht, diesem blumigen Gefühl zu schauen
setzt sich vehement zur Wehr
es verstört ihn zu sehr
In dem angepassten Musterkleid, in diesem Zwist
lebt das Kind bis es längst kein Kind mehr ist
Wohl ahnt es, dass etwas nicht stimmt
dass etwas ihm die Kräfte nimmt
Doch es spielt weiter
dieses falsche Spiel, scheinbar munter, scheinbar heiter
Grandios spielt das Menschenkind, geradezu perfekt
das Blumenkleid tief im Herzensinnern versteckt
Beflissen stets das karierte Gesicht aufsetzend
blind sich selbst verletzend
verliert das Menschenkind mehr und mehr die eigene Kontur
wird zur Marionettenfigur
Kein äußeres Erleben erreicht mehr das innere Ziel
fürwahr ein trauriges Spiel
Es ist, als bleibt es in mir leer
Wo nur kommt diese Leere her
Was ist falsch an dem was ich tu
Was schnürt mir die Kehle zu
Furcht zwingt das Menschenkind zum Stehen bleiben
sie lässt sich nicht vertreiben
Geh ich weiter, wird in mir etwas sterben
Was nur führt mich ins Verderben
Eine Frage wie ein erschütterndes Beben
Lebe ich ein falsches Leben
Es hört sein Herz, wie es plötzlich spricht
Kariert das bist du nicht
In deine Wiege wurde Blumiges gelegt seinerzeit
Es verliert niemals seine Gültigkeit
Komm zu dir, nur zu
Sei gefühlls betont, zart und fein, sei Du
Es zögert, zweifelt, misstraut
In ihm hallt wider überlaut
mit größter Unbarmherzigkeit
das täuschende Echo aus kindlicher Zeit
Gleichwohl brennt auf mit leisem Bangen
diese ewige Sehnsucht, dieses tiefe Verlangen
nach Klarheit nach Wahrheit, nach Wärme
in ihrem Feuer verglühen alle Lügenschwärme
Es blüht auf Erkennen
es ist Zeit, was wahr ist zu leben, zu benennen
Weil das Menschenkind kein Kind mehr ist
frei nun mit eigenem Maße misst
springt es hinweg ohne jegliches Bedauern
über die karierten Mauern
zieht an wieder das Blumenkleid
aus Zartsinn und Feinfühligkeit
Es nimmt ihn wahr, den Blütenduft
es kann wieder atmen, bekommt wieder Luft
und wie es strahlt, weil ihm das Kleid so gut steht
wie leicht, fein, zart und weit es ihn umweht
ohne jegliche Enge
ohne schneidende, stechende Strenge
Ich bin nicht mehr eine eiserne leere Hülle
Ich bin ein Wesen mit innerer Fülle
Aber ja
verwundbar zwar
und sehr verletztlich
Doch nun ein wahres, frei fühlendes erfülltes Ich
Seidenfein, blütenzart und lind
wie neugeboren fühlt sich das Menschenkind
weil es wieder wurde, was es ist
weil es sich selbst nicht mehr vermisst
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